Teilmobilmachung in Russland: Die EU will den Umgang mit Deserteuren klären

Teilmobilmachung in Russland: Die EU will den Umgang mit Deserteuren klären

Stand: 23.09.2022 17:52 Uhr

Sollen russische Geflüchtete nur über das übliche Asylverfahren in die EU einreisen können – oder soll es eine Sonderregelung geben? Die Bundesregierung drängt auf eine europäische Lösung. Die 27 EU-Botschafter beraten am Montag.

Die Behandlung russischer Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen sollte auf EU-Ebene koordiniert werden. Eine Sprecherin sagte, dass die derzeitige tschechische Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union für kommenden Montag ein Treffen der 27 EU-Botschafter im Rahmen des sogenannten Krisenreaktionsmechanismus einberufen habe.

Bundesregierung drängt auf koordinierte Regulierung: Regierungssprecher Stephen Hebestreet sagte, man wolle in den nächsten Wochen auf europäischer Ebene eine gemeinsame Linie zum Umgang mit russischen Kriegsdienstverweigerern erreichen. Es gehe darum, mit anderen EU-Staaten eine „tragfähige Lösung“ zu finden. In diesem speziellen Fall reicht es nicht aus, einfach darauf hinzuweisen, dass jeder, dem es gelingt, in das Land einzureisen, einen Asylantrag stellen kann.

Bislang sind die 27 Länder noch weit von der gemeinsamen Linie entfernt. Bisher gibt es weder in Deutschland noch auf EU-Ebene Pläne für ein spezielles Aufnahmeprogramm.

Die Tschechische Republik zum Beispiel ist gegen die Aufnahme russischer Deserteure. „Diejenigen, die aus ihrem Land fliehen, weil sie ihren Verpflichtungen gegenüber ihrem Land nicht nachkommen wollen, erfüllen nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines humanitären Visums“, sagte Außenminister Jan Lebavsky. Ministerpräsident Peter Fiala räumte jedoch später ein, dass niemandem das Recht auf ein Asylverfahren vorenthalten werde. Bis auf wenige Ausnahmen stellt Tschechien keine Visa mehr an Russen aus.

Polen: keine allgemeine Zulassung

Polen will Wehrdienstverweigerern kein Asyl gewähren. „Wir werden generell keiner Gruppe von Russen erlauben, nach Polen einzureisen, nicht einmal denen, die behaupten, vor der Menge zu fliehen“, sagte der stellvertretende Innenminister Marcin Wasek gegenüber dem polnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser Schritt ist aufgrund möglicher Verbindungen zu russischen Geheimdiensten sehr gefährlich. Nur in Einzelfällen, wenn ein russischer Staatsbürger nachweisen kann, dass ihm aus politischen Gründen Folter oder Verfolgung in Russland droht, kann Polen die Asylvorschriften anwenden und ihm Schutz gewähren.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar stellt Polen keine Touristenvisa mehr an russische Staatsbürger aus. Das Land sprach sich auch dafür aus, diese Regelung auf andere Visaarten auszudehnen.

Faeser: Asylverfahren ist möglich

In Deutschland besteht sowohl in den Ampelparteien als auch im Bund breite Zustimmung, die Einreise russischer Dissidenten nach Deutschland zu erleichtern. Bundesinnenministerin Nancy Visser hatte bereits klargestellt, dass Menschen, die sich dem russischen System widersetzen und deshalb „stark gefährdet“ sind, wegen politischer Verfolgung Asyl beantragen können. Sie sagte dem Frankfurter Allgemeinen Sonntag, die Entscheidungspraxis beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei bereits entsprechend angepasst worden.

Linkschef Martin Sherdiwan sagte der Funke-Zeitung, die Möglichkeit, Asyl zu beantragen, auf die sich die Bundesregierung beruft, sei „kein wirksames Schutzangebot“.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist die Zahl der Asylbewerber aus Russland in Deutschland in den vergangenen Wochen bereits gestiegen. Die Zahlen zur Entwicklung seit der Teilmobilmachung am Mittwoch liegen laut einer Sprecherin noch nicht vor.

Viele Russen gehen

Seit die Teilmobilisierung durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin angekündigt wurde, sind viele russische Männer ins Ausland geflohen. Viele reisen in die Türkei, wo Russen ohne Visum einreisen können. Bisher können russische Touristen auch per Bus oder Auto über die finnische Grenze in den Schengen-Raum einreisen. Fast 6.000 Russen kamen am Donnerstag an den Grenzübergängen im Südosten Finnlands an – mehr als doppelt so viele wie vor einer Woche. Auch die ehemalige Sowjetrepublik Kasachstan in Zentralasien informierte über eine verstärkte Einwanderung aus Russland.

Die Europäische Union hat Mitte September die Einreiseerschwerung für russische Staatsbürger verschärft. Seitdem gibt es noch größere Hürden, insbesondere für die neuen Touristenvisa. Die Visagebühr ist von 35 auf 80 Euro gestiegen. Außerdem dauert die Beantragung deutlich länger. Auch Mehrfachnennungen wurden erschwert. Ausnahmen sollen unter anderem für russische Journalisten und Kremlkritiker gelten.

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