Eine Rede, die deutsche Politiker verärgert: Erdogan zündet eine neue Eskalationsstufe

Eine Rede, die deutsche Politiker verärgerte
Erdogan zündet eine neue Eskalationsstufe

Offiziell ist noch nichts passiert. Die Außenministerien der betroffenen Länder wissen nur aus den Medien, dass der türkische Präsident Erdogan angekündigt hat, zehn westliche Botschafter zur Persona non grata zu erklären. Doch deutsche Politiker fordern bereits schlimme Konsequenzen.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei stehen vor einem weiteren Stresstest. Die Bundesregierung hat lediglich die Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan „zu Kenntnis genommen“, Botschafter Deutschlands, der USA und acht weiterer Länder zur Persona non grata zu erklären. Vertreter deutscher Parteien verurteilten die gegen sie gerichteten Äußerungen Erdogans und forderten eine harte Reaktion.

Erdogan kündigte in einer Rede am Samstag an, die Botschafter Deutschlands, der USA und acht weiterer Länder zur Persona non grata zu erklären. Der türkische Präsident sagte bei einem Besuch in Eskisehir, er habe das Außenministerium damit beauftragt. „Ich sagte, stellen Sie sicher, dass Sie diese zehn Botschafter so schnell wie möglich zur ‚persona non grata‘ erklären.“ Ein solcher Umzug führt in der Regel zur Ausweisung von Diplomaten. Eine Frist nannte Erdogan nicht.

Und aus den Dienststellen des Auswärtigen Amtes in Berlin hieß es: „Wir haben die Äußerungen des türkischen Präsidenten Erdogan und die diesbezüglichen Berichte zur Kenntnis genommen und führen derzeit umfangreiche Konsultationen mit den anderen neun betroffenen Ländern.“ Betroffen sind neben Deutschland und den USA auch Frankreich, Kanada, Finnland, Dänemark, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen und Schweden. Das US-Außenministerium hat um Klärung gebeten. „Wir kennen die Berichte und bitten jetzt um Aufklärung beim türkischen Außenministerium“, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums.

Hintergrund der Äußerungen Erdogans ist eine Erklärung der Botschafter Anfang der Woche, in der sie die Freilassung des türkischen Geschäftsmanns und Kulturförderers Osman Kavala forderten. Der 64-Jährige sitzt seit 2017 in Istanbul in Haft, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2019 seine Freilassung anordnete. Die Türkei hat das Urteil bislang ignoriert.

Claudia Roth fordert Sanktionen

Kavala wird ein Putschversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten 2013 sowie „politische und militärische Spionage“ im Zusammenhang mit dem Putschversuch 2016 vorgeworfen noch in Istanbul anhängig und wird Ende November fortgesetzt. Seine Anhänger sehen die Vorwürfe als politisch motiviert. In der Türkei für sein zivilgesellschaftliches Engagement bekannt, unterstützt Kavala mit seiner Organisation Anadolu Kültür viele Projekte.

Die Kavala-Krise dürfte die Beziehungen zwischen dem NATO-Partner Türkei, der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika stark belasten. Tatsächlich kamen sich Deutschland und die Türkei wieder nahe, nachdem die Inhaftierung deutscher Staatsbürger im Jahr 2017 zu einer tiefen Kluft in den bilateralen Beziehungen geführt hatte. Erst in der vergangenen Woche hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Goodwill-Besuch bei Erdogan die Bedeutung der deutsch-türkischen Beziehungen betont.

Deutsche Politiker haben das türkische Vorgehen am Samstagabend scharf verurteilt. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth forderte Sanktionen: „Erdogans skrupelloses Vorgehen gegen seine Kritiker wird zunehmend dementiert“, sagte der Grünen-Politiker. Man müsse sich dem „internationalen autoritären Weg Erdogans“ stellen, Sanktionen verhängen und Waffenexporte in die Türkei stoppen. Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lampsdorff schrieb auf Twitter, die Aussicht auf den Ausschluss von zehn Botschaftern sei „unklug, undiplomatisch und würde den Zusammenhalt der Koalition schwächen“. Daran kann Erdogan kein Interesse haben.

Der CDU-Auslandsexperte Norbert Röttgen sprach gegenüber der Süddeutschen Zeitung von einer „außenpolitischen Eskalation“. Erdogan führe „sein Land noch weiter in der totalen Distanzierung von Europa und dem Westen“. Auch der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu kritisierte Erdogans Äußerungen scharf. Auf Twitter schrieb er, Erdogan wolle bei diesem Schritt keine nationalen Interessen vertreten, sondern von der desolaten Wirtschaftslage ablenken.

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